Freitag, 17. Dezember 2010

Mobile Zukunft! NRW als Wegbereiter nachhaltiger Mobilität?

I post this in German. An excerpt will be published soon both in German and English in the Cluster Magazin "Excellence" of Northrhine-Westphalia. I'll keep you updated.
Mobilität ist ein Rückgrat des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens. Der Verkehrs- und Logistiksektor selbst ist ein international bedeutsamer Wirtschaftszweig. Die Mobilität von Personen, Gütern und Informationen bestimmt heutzutage, und in Zukunft noch mehr, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Unternehmen und prägt vieles was wir als Wohlstand empfinden, etwa die individuelle Versorgung mit Gütern und Services. Mobilität ist zugleich eine zivilisatorische Errungenschaft demokratischer Gesellschaften und steht im Zusammenhang mit individueller Entfaltung, Freiheit der Entscheidungen und der Befriedigung von sozialem Miteinander und Erlebnisbedürfnissen.
Jedoch ist Mobilität nicht gleich Verkehr. Mobilität ist ein umfassender Begriff einer Bedürfnisbefriedigung im Rahmen unserer Lebensstile, die sich in mehr oder weniger Verkehrsstrom bestimmter Verkehrsträger äußern kann. Ebenso wenig wie mehr Güterverkehr automatisch eine bessere Güterversorgung sicherstellt, erhöht steigender Personenverkehr per se die Mobilität der Menschen. Heute ist angesichts überlasteter Infrastrukturen oft das Gegenteil der Fall.
Sinnvolle technische Innovationen allein ergeben demzufolge auch keine nachhaltige Mobilität. Mobilität nachhaltig, d.h. sie zukunftsfähig, zu gestalten ist eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts im Sinne eines Wandels zu einer postcarbonen Industriegesellschaft. Ein Beispiel: Momentan ist nicht klar, wie der Mobilitätssektor angesichts des Klimawandels zu den Emissionsminderungen von CO2 in der geforderten Höhe beitragen soll. Technologisch begründete Effizienzgewinne von etwa 20% in den nächsten 15 bis 20 Jahren werden durch enorme weltweite, und auch europäische,  Zuwächse der Verkehrsleistung konterkariert. Auch die Bemühungen um e-Mobility, derzeit in aller Munde, werden nur einen Teilbeitrag leisten können und sind zudem in ihrer Wirksamkeit auf die Kopplung mit einer regenerativen Energieversorgung angewiesen, wenn echte Klimafreundlichkeit erreicht werden soll.
Die Herausforderungen sind vielschichtig: die globalen Umweltveränderungen zwingen uns zu einem Umdenken in der Nutzung fossiler Energiequellen und machen eine 80%ige Reduzierung der Treibhausgase bis 2050 (nach dem renommierten Potsdam Institut für Klimafolgenforschung) notwendig. Der Mobilitätssektor verbraucht rund ein Drittel der Primärenergie und muss seinen Beitrag leisten. Demographische Veränderungen erzeugen unterschiedliche Handlungsdrücke: die alternde Gesellschaft und notwendige angepasste Mobilitätssysteme auf der Nordhalbkugel einerseits, die Multiplikation der Mobilitätsnachfrage aufgrund wirtschaftlicher Entwicklung und dem Bevölkerungswachstum (mit all den Nebeneffekten einer fatalen automobilen Orientierung am westlichen Vorbild) auf der Südhalbkugel der Erde. Die prognostizierten Verdreifachung der Gütertransportleistung weltweit bis 2050 (World Business Council for Sustainable Development) erfordert die Erschließung neuer Transportkapazitäten und Infrastrukturen inkl. kreativer Transportalternativen und ein radikal verändertes Konsumverhalten als Treiber der Entwicklung. Die Kapazitätsgrenzen sind jetzt bereits vielerorts überschritten. Die zunehmende weltweite Urbanisierung verlagert Transportflüsse und fordert effizientere Systeme, die sich in besonderer Weise über das Erreichte hinaus auf den Stadtraum adaptieren.
Ich erinnere mich daran zum „Kick Off“ der Einstimmung aller wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Partner auf den EffizienzCluster Logistik Ruhr Anfang des Jahres 2009 in Duisburg meinen Redebeitrag unter das Motto des Willy-Brandt-Wortes vom „Himmel über der Ruhr“ gestellt zu haben. Gemeinsam haben wenige Monate später rund 120 Unternehmen und 11 Forschungspartner NRW’s bisher einzigen Spitzencluster gewonnen. Willy Brandt’s Ausspruch über den zukünftig blauen Himmel über der Ruhr aus dem Jahr 1961 machte schon viel eher deutlich, dass wir Wandel aktiv gestalten müssen und verband eine ökologische Frage mit dem industriellen Treiber Europas, dem Rhein-Ruhrgebiet.
Nach NRW zu schauen, wenn es um die Gestaltung des Wandels hin zu einer mobilen Industriegesellschaft der Zukunft geht, hat eine unbestreitbar hohe Relevanz über das Bundesland hinaus. Potentiale im Konzert nachhaltiger Entwicklung nicht nur hörbare Einzeltöne beizusteuern, sondern zur Komposition beizutragen, sind in NRW auf besondere Weise ausgeprägt:
·        eine der leistungsfähigsten verkehrsträgerübergreifenden Transportinfrastrukturen Europas
·        gleichzeitig die höchste Dichte von Bildungs- und Forschungsinstitutionen in Europa, von denen viele sich mit unterschiedlichen Facetten des Mobilitätsproblems beschäftigen (Verkehrsplanung, Logistik, Mobilitätsverhalten, Bedürfniskulturen, Nachhaltiges Wirtschaften, etc.)
·        wirtschaftliche Stärke mit einer beispiellosen industriellen Erfahrung
·        eine vielfältige lebendige kulturelle Identität und eine „erarbeitete“ Kompetenz zur Gestaltung industrieller und sozialer Wandlungsprozesse
Ein außerordentlicher „Gunstfaktor“, wie es die Geographie nennt, ist der Mehrklang aus Mobilitätsinfrastruktur der Ballungsräume, Forschungsstärke, wirtschaftlicher Durchsetzungskraft und kultureller Verankerung. Die in dieser Form seltene Kombination ermöglicht die Nutzung der Ballungsräume NRW’s als Testfeld für exportierbare Innovationen. Eine umfassende Clusterpolitik zur Bündelung, Strukturierung und Weiterentwicklung der Kompetenzen vernetzt dabei das Thema Mobilität in den Clustern für Logistik, Automotive, IKT, Energie und anderen. Besonders sichtbare Meilensteine im inhaltlichen Zusammenhang und mit einer hohen Außenwirkung verbunden sind z.B. Deutschlands einziger Spitzencluster für Logistik (EffizienzCluster Logistik Ruhr) sowie mehrere herausragende Projekte im Rahmen der Modellregionen für Elektromobilität der Bundesrepublik. Der Masterplan Elektromobilität des Landes stellt Kompetenzen, Vernetzungen, Orientierungen und beabsichtigte Wirkungen dar.
Es gibt keinen Königsweg in eine nachhaltig mobile Gesellschaft der Zukunft. Die Vielfalt neuer Ansätze und Modifikationen des Bestehenden im Spannungsfeld zwischen Technik und neuen Lebensstilen, inklusive veränderter Wertvorstellungen, werden den Erfolg ausmachen. Eine Diversität der Lösungen wird Bürgern wie Unternehmen individuelle Chancen für neue Wege eröffnen. Seine Stärken erlauben es NRW dabei einen Schritt voraus zu sein. Dafür wünsche ich NRW Zutrauen in die eigenen Stärken und noch mehr Mut zu gegenwärtig noch unkonventionell erscheinenden Ideen. Eine „mobile Zukunft“ wird durch Quer- und Umdenken geprägt, nicht durch bereits ausgetretene Pfade.

2 Kommentare:

  1. nichts gegen das Geschriebene - ich hab's bislang nur überflogen und werde es während der Zugfahrt lesen, dann kommt vielleicht noch ein Kommentar hinzu - mir fehlen jedoch die Themen Alltagsmobilität und damit verbunden Fahrradmobilität.

    mit VeloCityRuhr fangen wir damit an - ganz klein zwar, aber wir kommen so langsam ins Rollen - und warten nicht, bis uns ein Budget von einer Million Euro auf den Kopf fällt (das nämlich soll die "Radlhauptstadt" München alleine in einem Jahr für Fahrradkommunikation ausgeben). wir warten auch nicht bis wir aus einem tiefen See einen Schatz von 100 Millionen geborgen haben werden für Fahrradautobahnen (ist nur ein eindrucksvoller Arbeitstitel für die Rheinische Bahn, die in Essen zur Hälfte realisiert ist und in Mülheim vor Baubeginn steht, und in Dortmund werden gerade Pläne in Richtung Bochum geschmiedet). viel lieber schließen wir uns an dieser Stelle dem ADFC an und fordern zunächst einmal mehr Fahrradstraßen. und mit den Critical Masses (allen voran Dortmund) zeigen wir den motorisierten Verkehrsteilnehmern, dass auch Fahrräder auf die Straße gehören.

    aber dazu dann mehr in meinem Blog (da steht bis jetzt noch nix über Mobiliät, ich wollte zunächst noch was über Migration schreiben, was ja aber dann auch zusammenpasst).

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  2. einzelne Verkehrsträger und Mobilitätsformen unterhalb der Funktion der Bewegung von Gütern und Personen sind absichtlich nicht explizit bennant, weil eher grundsätzliche Fragen beantwortet werden sollten. Der Beitrag geht auf eine Anfrage des Clustersekretariats NRW zurück und wird als Essay im Clustermagazin veroffentlicht. Fahradverkehr, im Rahmen der Alltagsmobilität, spielt natürlich abhängig von der Motivation der Menschen eine wichtige Rolle! ;-)

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